Die Bauproduktenverordnung (BauPVO) legt Bedingungen für das Inverkehrbringen von Bauprodukten und ihre Bereitstellung auf dem Markt der Europäischen Union fest. Dabei geht es um den Abbau von Handelshemmnissen mit dem Ziel eines freien Binnenmarktes innerhalb der EU.
Die derzeit gültige Fassung stammt aus dem Jahr 2013 und befindet sich nun erstmalig in einem Prozess der Überarbeitung. Auslöser sind zum einen Regelungsdefizite und zum anderen ist es der Wunsch, Klima- und Nachhaltigkeitsziele sowie die Digitalisierung mit einfließen zu lassen.
Hinsichtlich des aktuellen europäische Systems des Bauproduktenrechtes wurde diverse Regelungsdefizite erkannt. Das sog. „James-Elliott-Urteil“ (EuGH, Urteil vom 27.10.2016 – Rechtssache C613/14) führte dazu, dass europäische Normen als Teil des europäischen Rechts angesehen werden. Dieser Umstand sowie Fehler bei der Normungsarbeit, führen dazu, dass seit dem Jahr 2019 keine neue europäischen Produktnormen mehr freigegeben wurde. Es herrscht ein massiver Reformstau. Hinzu kommt, dass die europäischen Normen aus Sicht des Europarechts als vollständig anzuerkennen sind. Die Mitgliedsstaaten dürfen Mängel an den Normen und fehlende Leistungsmerkmale daher nicht eigenständig nachregeln. Dies führt zu erheblichen Problemen bei der Nachweisführung hinsichtlich der Gewährleistung der nationalen Bauwerkssicherheit. Die europäische Kommission ist daher bemüht eine zeitige Überarbeitung der BauPVO zu vollziehen.
Als ersten Schritt hatte die europäische Kommission daher im Jahr 2019 den CPR-Acquis-Prozess initiiert. Hier handelt es sich um eine Bestandsaufnahme, welche die Rahmenbedingungen für die zukünftige Normungsarbeit festlegen soll (siehe meinen Beitrag hier).
Nachfolgend hat die Kommission im April 2020 ein sog. Optionspapier veröffentlicht,
welches mögliche Lösungswege zur Überarbeitung der BauPVO auf
zeigt. Die Möglichkeiten reichen hier vom Beibehalten der bisherigen
Fassung und deren Optimierung mit außergesetzlichen Vereinbarungen
(Option A) bis hin zur völligen Aufhebung des Harmonisierungskonzeptes (Option E).
Mittlerweile hat die Kommission einen konkreten Entwurf zur Überarbeitung der BauPVO veröffentlicht. Hierbei wurde nun ein Weg gewählt, der das derzeitige System im Kern beibehält und eine „Reparatur“ vorsieht.
Entwurf der neuen BauPVO (BauPVO-E) vom 30.03.2022
Die Wesentlichen geplanten Änderungen sollen nachfolgend kurz aufgeführt werden:
- Der Anwendungsbereich der BauPVO soll erweitert werden, bspw. auch auf Verpackungen, Datensätze für 3D-Drucke und auch auf „gebrauchte“ Produkte.
- Klima- und Nachhaltigkeitsziele werden integriert.
- Es sollen teilweise wieder Mindestanforderungen an Bauprodukte EU-weit festgelegt werden. Dies betrifft aber nur die allgemeine Produktsicherheit. Hierzu haben Hersteller dann eine Konformitätserklärung auszustellen. Für die weiteren Leistungen bleibt die Leistungserklärung erhalten.
- Als harmonisierte Spezifikation sollen fortan nicht mehr die Produktnormen (hEN) und die Bewertungsdokumente (EAD) definiert sein, sondern nur noch Produktnomen (hEN) und zusätzlich delegierte Rechtsakte der Kommission.
- Die Kommission räumt sich durch die Erhebung ihrer delegierten Rechtsakte zu harmonisierten Spezifikationen das Recht ein, produktbezogene Anforderungen selbst zu regeln und mangelhafte Normen eigenständig zu modifizieren.
- Ergänzungen einer Norm mit einem EAD bzw. einer ETA sollen fortan nicht mehr möglich sein.
- Den Mitgliedstaaten wird die Möglichkeit eingeräumt, fehlerhafte Normen bzw. fehlende Leistungsmerkmale selbst nachzuregulieren, allerdings mit einem Genehmigungsvorbehalt der Kommission.
- Auf die Hersteller kommen diverse neue Pflichten zu, bspw. hinsichtlich der neuen/alten Konformitätserklärung, der neuen umweltbezogenen Anforderungen und auch Aufgaben wie die Registrierung ihrer Produktleistungen in einer Produktdatenbank.
Ziel ist eine Veröffentlichung der neuen Bauproduktenverordnung im Jahr 2025. Gegen die geplanten Änderungen, in der derzeit vorliegenden Form, regt sich aber bereits Widerstand. Der Deutsche Bundesrat hat in seinem Beschluss vom 16.09.2022 zur BauPVO-E Stellung bezogen. Hiernach merkt der Bundesrat zunächst positiv an, dass das grundsätzliche Konzept der Harmonisierung beibehalten werden soll und hier ökologische Aspekte mit einfließen. Viele andere Punkte des vorliegenden Entwurfs werden aber seitens des Bundesrates als äußert kritisch bewertet. Dies ist beispielsweise die Komplexität des Regelwerkes sowie die massive Ausweitung von Entscheidungsbefugnissen der Kommission.
Es bleibt abzuwarten wie sich die Überarbeitung der Bauproduktenverordnung entwickelt und welche Änderungen uns hier für die Zukunft im Umgang mit harmonisierten Bauprodukten bevorstehen.